Dass im Unterricht, zumal im Religionsunterricht, zu Fragen zu ermutigen sei, gilt heute als pädagogische Allerweltsweisheit. Gleichwohl zeigen bisher vorliegende empirische Untersuchungen, dass es mit echten Schülerfragen im Unterricht nicht weit her ist (vgl. Neber 309; Niegemann/Stadler). Selten wird gefragt, und noch seltener in jener Weise, die erkennen lässt, dass ein(e) Schüler(in) von einer Problemstellung wirklich gepackt ist. Der große Didaktiker Martin Wagenschein schreibt: »So wie ein Segel gestellt werden muß, damit es vom Wind auch gefaßt wird, so ist die Frage gestellt, wenn die Kinder vom Sog des Problems ergriffen sind. Das kann lange dauern.« (Wagenschein 155) Oft, so scheint es, hat es der Lehrer/die Lehrerin zu eilig, um zu warten, bis das Segel wirklich im Wind steht. Und dann kommt er mit Lehrerfragen den Fragen der SchülerInnen zuvor.
Gewiss dominiert die Lehrerfrage den Unterricht heute nicht mehr so stark wie in den vergangenen Jahrzehnten (vgl. Niegemann/Stadler 188f). Sie ist jedoch immer noch ein zentrales Steuerungsinstrument. Und das entscheidende Problem ist auch gar nicht so sehr die Quantität der Fragen – obwohl es hier sicherlich ein Zuviel geben kann –, sondern die Qualität. Doch was sind »gute Fragen«? Wie gelingt es, das »Segel« zu stellen? Wie gelingt es, das eigenständige Denken der SchülerInnen in Gang zu bringen und an geeigneter Stelle zu unterstützen? Besonders im Fokus stehen hier sogenannte »epistemische« Fragen – Fragen eines höheren kognitiven Niveaus (higher order questions), die gleichwohl auf das Fassungsvermögen der Kinder und Jugendlichen abgestimmt sein sollten. Doch gerade solche Fragen sind offensichtlich nach wie vor eher selten (vgl. Niegemann/Stadler 189).
Insgesamt kann man sagen, dass es mit der Fragekultur im Unterricht nicht zum Besten steht, und das gilt durchaus auch für den Religionsunterricht (vgl. Englert/Hennecke/Kämmerling 230f u.ö.). Vielleicht müsste man solchen mikrostrukturellen Komponenten des Unterrichts in der Lehrerausbildung eine größere Beachtung schenken. Jedenfalls verlangen sie neben der Auseinandersetzung mit den großen konzeptionellen Ansätzen (performativ, konstruktivistisch, kompetenzorientiert usw.) eine eigene Aufmerksamkeit. Auf diese Weise ließe sich, wie sich anderen Orts gezeigt hat (vgl. Neber 319), eine Optimierung der Lehrerfragen im Unterricht wohl durchaus erreichen.
So wichtig solche Bemühungen um die Entwicklung von »Fragetechniken« auch sind: Zu dem, was man eine »Kultur der Frage« nennen könnte, gehört doch deutlich mehr als nur eine bestimmte handwerkliche Fertigkeit. Die folgenden Überlegungen wollen ein paar Hinweise dazu geben, worin dieses »Mehr« besteht.
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